Der Wasserschwund auf der Erde schreitet weiter voran

Eine Zusammenfassung von Ralf Roschlau, Lauffen (April 2025)

Wasser ist und wird in Verbindung mit dem Klimawandel und der Erderwärmung eine besonders zu beobachtende Ressource sein. Eine neue Science-Studie koreanischer Wissenschaftler hat sich dem Thema des globalen Wasserverlustes angenommen. Steigende Luft- und Meerestemperaturen haben erhebliche Veränderungen in der terrestrischen Wasserzirkulation und den Flüssen und Seen der Welt verursacht. Gründe dafür sind die veränderten Niederschläge und die Evapotranspiration. Mit diesem Begriff wird die Summe aus Evaporation, also der Verdunstung einer unbewachsenen Landoberfläche oder freien Wasseroberfläche und der Transpiration, d.h. der Verdunstung der Pflanzenoberfläche durch biotische Prozesse bezeichnet.

Enorme Verschiebung wahrscheinlich
Der Science-Studie nach hat die klimabedingte Auswirkung der beiden Faktoren möglicherweise zu abrupten Verschiebungen in der terrestrischen Wasserspeicherung geführt. Das europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen ECMWF hat in seinem Datensatz Reanalysis v5 (ERA5) aufgezeigt, dass die Bodenfeuchtigkeit (SM) ab dem frühen 21. Jahrhundert eine starke Abnahme aufweist. Im Zeitraum 2000 bis 2002 nahm nach dieser Analyse die Bodenfeuchtigkeit um etwa 1614 Gigatonnen ab. Diese Abnahme ist weitaus größer als der Eisverlust Grönlands, der bei etwa 900 Gigatonnen im Zeitraum zwischen 2002 und 2006 lag. Von 2003 bis 2016 setzte sich die Abnahme der Bodenfeuchtigkeit mit einem zusätzlichen Verlust von 1009 Gigatonnen weiter fort. Unterstützt wird diese Analyse durch zwei unabhängige Beobachtungen des globalen mittleren Meeresspiegelanstiegs (ca. 4,4 Millimeter) und der Polverschiebung der Erde (ca. 45 Zentimeter).

Globale Veränderung
Die globale Abnahme der Wassermassen fand nicht nur in einzelnen Regionen wie dem Mittelmeerraum statt, wie es lange angenommen wurde, sondern auf allen Kontinenten. Durch die temperaturbedingten Prozesse verdampft die in den Böden gespeicherte Feuchtigkeit oder fließt in die Meere ab, ohne entsprechend ersetzt zu werden. Eine Klimaforscherin der ETH Zürich, die nicht an der Studie beteiligt war, erklärte dies wie folgt: Der Knackpunkt ist: Die Landflächen haben sich nicht wieder erholt, das Wasser ist nicht zurückgekommen. Auf den trockenen Böden der Welt hat ein Prozess begonnen, den manche Wissenschaftler bereits als „Desertifikation“ bezeichnen, also eine Wüstenbildung. Die koreanischen Forscher stellen in ihrer Studie heraus, dass schmelzende Gebirgsgletscher und Eiskappen mit 1,8 Millimeter nur einen kleinen Teil der Erhöhung des Meeresspiegels ausmachen. Weitere potenzielle Quellen für den Meeresspiegelanstieg sind Veränderungen der Grundwassermassen, der Bodenfeuchte sowie des Oberflächenwassers von Seen und Flüssen und des in der Vegetation gespeicherte Wasser. Viele der bisherigen hydrologische Modelle gingen davon aus, dass sich große Teile der Landwasserspeicher eher füllten oder zumindest kaum leerten. Der südkoreanische Geophysiker Ki-Weon Seo von der Nationaluniversität Seoul ist einer der Autoren der neuen Science-Studie. Er und sein Team analysierten eine große Anzahl von Messdaten und kombinierte diese mit Modellen der Wettervorhersagen. Das Ergebnis war ernüchternd, denn die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich der Wasservorrat der Landmassen keineswegs vermehrte, sondern genau das Gegenteil der Fall war.

Hundertmal das Wasser des Bodensees:
Bei ihrer Studie verwendeten die Forscher zwei Methoden. Sie nutzen zum einen Satelliten, die mit Altimetern bestückt waren und die Höhe des Meeresspiegels abtasten. Zum anderen nutzten die Wissenschaftler eine Messung, die normalerweise von Astronomen verwendet wird: Der Erdkörper verhält sich nicht starr, sondern ist in seiner Rotationsachse immer ein wenig unrund. Mit der genauen Messung dieser sogenannten Polschwankung lassen sich die Umverteilung von Masse auf dem Planeten bestimmen – und damit auch Veränderungen der gesamten Landwasserspeicher. Die Auswertung ergab einen Trend und keine temporäre Schwankung. Zwischen 1979 und 2016 stieg der Meeresspiegel der Studie zufolge allein durch den Verlust von Bodenfeuchte um mehr als einen Zentimeter an. Das klingt auf den ersten Blick als wenig, beträgt aber immerhin fast vier Billionen Tonnen Wasser, die die Kontinente zugunsten der Ozeane verloren haben. Als Vergleich: diese Menge entspricht dem knapp Hundertfachen der Wassermasse des Bodensees. Die Entwicklung spiegelt einen Übergang zu einem trockeneren, hydrologischen Regime seit dem frühen 21. Jahrhundert wider, der sich stetig verstärkt, so einer der Aussagen in der Studie. Nicht an der Studie beteiligte Wissenschaftler halten das Ergebnis der Science-Studie für sehr beunruhigend. Da auch weitere Studien die Tendenz zur Austrocknung auf den Kontinenten belegen würden ist eine Plausibilität zu anderen Untersuchungen gegeben. Seo und sein Team waren besonders überrascht von der Tatsache, dass ein erheblicher Anteil der Bodenfeuchte weltweit innerhalb von nur drei Jahren verschwand, und zwar zwischen 2000 und 2002. 1,6 Billionen Tonnen gingen damals an den Ozean verloren. Hintergrund dafür war eine besonders stark ausgeprägte Austrocknung in Zentral- und Ostasien, Zentralafrika und Amerika. Seo wusste aus früheren Studien, dass diese Zeitspanne unter Wissenschaftlern als „durstigere Periode“ bezeichnet wird. Verursacht wurde dies durch deutlich wärmere Luft, die mehr Feuchtigkeit aus dem Boden ziehen konnte, sowie durch einen Rückgang von Niederschlägen, in fast allen Kontinenten im gleichen Zeitraum.

Keine Erholung
Statt sich nach diesem Aderlass wieder zu erholen, verloren die Böden ab dem Jahr 2003 weltweit weiter an Feuchtigkeit. Dieser Prozess verlief erst graduell, dann in den Jahren 2015 und 2016 aber erneut sprunghaft. Die kombinierte Wirkung dieser allmählichen und plötzlichen Rückgänge über zwei Jahrzehnte hinweg deutet auf eine Verschiebung hin, wie sich Dürren auf globaler Ebene ausbreiten , so der Studienautor Seo zu dieser Entwicklung. Für die Welt und insbesondere für Regionen wie Europa bedeute dies, dass die Bodenfeuchte möglicherweise weiter ausgezehrt werde und es zu häufigeren, intensiveren Dürreperioden kommen könnte. Diese Entwicklung bezeichnet er als Teufelskreis, denn seien die Böden erst einmal trocken, verdunstet weniger Wasser und es fällt auch weniger Niederschlag. Wenn es dann endlich wieder regnet, dringe das Wasser nicht in die ausgetrockneten Böden ein, sondern fließe einfach ab. Die Folgen dieser Entwicklung lassen sich bereits heute im Mittelmeerraum beobachten, wo die Desertifikation bereits begonnen habe, so Wissenschaftler zu dieser Folge des Klimawandels. Wenn sich dieser Trend fortsetze, würde es zum Beispiel in Spanien sehr bald Regionen geben, die schwierig zu bewohnen und zu bewirtschaften wären.

Fazit
Wenn sich nicht kurzfristig deutliche Veränderungen durch eine Abnahme der imitierten Treibhausgase ergeben, laufen wir auf eine 2 Grad wärmere Welt gegenüber der vorindustriellen Zeit zu. Dies bedeutet zwar, dass es im Durchschnitt nur circa ein halbes Grad wärmer als jetzt ist. Es bedeutet aber auch, dass in Südeuropa die meisten der heute existierenden Ökosysteme nicht mehr überlebensfähig sind.

Link zur Science-Studie: Abrupt sea level rise and Earth’s gradual pole shift reveal permanent hydrological regime changes in the 21st century, Ki-Weon Seo ed. Al., 27.3.2025