Wohnen in Heilbronn Nr.2 – Bald ein unbezahlbarer Luxus?

„Mit kabarettistischen Nachrichten zur Wohnungsnot in Deutschland und Heilbronn eröffnet die Schauspielerin Cosima Greeven die Veranstaltung der Liga der Wohlfahrtsverbände am 25.November 2017 zum Thema Wohnungsbau in der Region Heilbronn: „Wohnen im Wollhaus“ – „Baumhäuser im Stadtwald“ – „Wagenburgen auf der BUGA“ – es waren viele Ideen für „Wohnraumpotentiale“, die die etwa 80 Besucher zum Schmunzeln brachten.      

Vielen Heilbronner MieterInnen ist jedoch seit einigen Jahren das Lachen vergangen: In seinem Grußwort verwies der OBM Mergel darauf, dass 4 von 10 Mietern in Heilbronn mehr als 30% ihres Haushaltseinkommens für die Miete (brutto kalt) ausgeben, 1/6 sogar mehr als 40% und die Mietpreisbremse nicht wie gewünscht wirkt. Hannes Finkbeiner von der Aufbaugilde weist darauf hin, dass in Heilbronn zwischen 2014 und 2017 die Zahl der Wohnungslosen von 215 auf 750 zugenommen hat. Die Berliner Morgenpost hat schon am 14.8.2017 berichtet, dass bundesweit Heilbronn mit 21,6% die dritthöchsten Mietsteigerungen zwischen 2012 und 2017 verzeichnet.

Die Liga der Wohlfahrtsverbände hat mit zwei ausgewiesenen Befürwortern des sozialen Wohnungsbaus die Veranstaltung zu einem klaren Plädoyer für eine andere Wohnbaupolitik in Heilbronn gemacht. Der erste Referent Michael Sachs, Vorsitzender des Aufsichtsrates der kommunalen Wohnbaugesellschaft Gewobag in Berlin und Staatsrat a.D. für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg, sieht als einen der Hauptfehler in der Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre das neoliberale Motto „..der Markt wird das schon richten…“ an. Er listete 10 Punkte auf, mit deren Umsetzung er endlich Chancen für eine Wende auf dem Wohnungsmarkt sieht: 

„Die zehn zentralen Forderungen zur Ankurbelung des Wohnungsbaus auf lokaler Ebene:  
1.   Lokale Bündnisse schließen mit Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften, Investoren und Mietervereinen: Wer erwartet was von wem?
2.   Mehr Wohnungen und mehr bezahlbare Wohnungen bauen: öffentliche Förderung, kleinere Wohnungen, verpflichtende Mischung (30% oder mehr Sozialwohnungen überall).
3.   Konzeptausschreibung für öffentliche Grundstücke, evtl. kommunalen Grundstücksfond. 
4.   Innenentwicklung, innere Verdichtung: Nutzung vorhandener Infrastruktur, Mobilitätskonzepte, soziale Mischung/Vielfalt.
5.   Stadtplanung und strategisches Flächenmanagement verknüpfen: Portfoliostrategie, Konversion und Revitalisierung, städtebauliche Entwicklungsgebiete, Stadtumbau und Stadterweiterung.
6.   Personelle Ausstattung der Stadtplanungs- und Bauordnungsämter, flexible und motivierte Mitarbeiter (= Chefsache),  Zielvereinbarungen! 7.   Kosten sparen: bei Grundstücken (s. 3.), Prozesse verkürzen: B-Pläne oder Baugenehmigungen mit Befreiungen oder nach §34 BauGB, Auflagen mindern: keine Stellplätze, keine Unterkellerung, kleinere Wohnungen
8.   Baugemeinschaften fördern, durch EK-Zuführung freien Trägern den Wohnungsbau für spezielle Gruppen ermöglichen!
9.   Preiswerten Wohnraum erhalten: Zurückhaltung bei Modernisierung/ & Sanierung, soziale Erhaltungssatzung, Zweckentfremdungsverbot, Einschränkung für B2B, Airbnb, guesttoguest, fewo, wimdu, belvilla; organisierten Wohnungstausch für ältere Mieter bei gleicher Miete.
10.   Wohnungsbau ist Chefsache! Als Signal nach außen und nach innen in die Verwaltung.“

Michael Schleicher, Vorstandsmitglied der Kölner Wohnungsgenossenschaft GeGeso Köln und bis 2012 Leiter des Kölner Wohnungsamtes, zählt als zweiter Fachreferent eine lange Liste von politischen Fehlentscheidungen in der Wohnungspolitik auf: In Friedrichshafen verhindert der Gemeinderat den Bau von 600 statt nur 300 Wohnungen. In den letzten Jahren wurden in Deutschland Mietwohnungen in großem Stil steuerfrei an Firmen verkauft. Das Gesetz zur Mietobergrenze ist unwirksam. Die Wohnungsbauförderung in B/W ist viel zu gering im Vergleich zu NRW. In NRW plant die neue CDU-FDP-Koalition, aus der Mietwohnbauförderung auszusteigen …. man merkt Michael Schleicher seine Empörung an, wenn er mit Herzblut vor allem die FDP dafür anklagt, als politischer Bremser den sozialen Wohnungsbau zu verhindern. Zuvor hat schon Michael Sachs klar und deutlich alle Parteien in der deutschen Politik für den Verkauf städtischer und anderer staatlicher Wohnungen an Investoren verantwortlich gemacht, von der CDU über SPD und Grüne bis zu den Linken. Es hilft jedoch nur, nach vorne zu schauen, die Kommunalpolitiker an ihren eigenen Worten zu messen.

So ist es erfreulich, dass OB Harry Mergel in seinem Grußwort davon spricht, dass im Rahmen des Handlungsprogramms Wohnen bis 2020 in Heilbronn 2000 Wohnungen gebaut werden sollen und auch mit der Region zusammen nach Lösungen zu suchen ist. Er zählt auf, dass in den Gebieten Nonnenbuckel und Kirschgarten 30-50% sowie am Neckarbogen 40% geförderte Wohnungen gebaut werden sollen. Dass in den Baugebieten Bernhäusle und Klingenäcker aber keine entstehen sollen, bleibt unerwähnt.

In der Abschlussdiskussion weist Susanne Bay, Gemeinderätin und MdL der Grünen, darauf hin, dass in Heilbronn eine Quote von 30% geförderten Wohnungen für alle Wohngebiete erforderlich ist und dass diese nicht nur für die Stadtsiedlung gelten darf.

Am Schluss seines engagierten Vortrages sagt Michael Schleicher aus Köln den entscheidenden Satz: „Macht Druck auf die Politik, dass in Heilbronn ein großer Anteil günstiger Wohnungen gebaut wird“. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung deutet darauf hin, wie recht er hat: an dem Samstagvormittag waren fast keine Betroffenen unter den Zuhörern. Dabei gibt es in Heilbronn und Umgebung mehr als genug davon, siehe Hannes Finkbeiner oder Berliner Morgenpost.

Heilbronn 11.12.2017 Konrad Wanner, Thomas Bergunde

Wir bedanken uns bei der Aufbaugilde und bei Herrn Sachs für die zur Verfügung Stellung des 10-Punkte Manuskripts.